Lüders auf der Schlachtbank

Am 9. April 2017 beschäftigte sich Anne Wills Runde mit der Gefahr eines globalen Konflikts nach dem Raketenbeschuss des syrischen Luftwaffenstützpunkts durch die USA. Im Panel saß neben von der Leyen, van Aken, Wolfssohn und Kornblum auch Michael Lüders, der gerade sein Buch „Die den Sturm ernten: Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte“ herausgebracht hat.

Jens Berger hat zur Sendung bereits die richtigen Worte gefunden: für die Einführung von Michael Lüders als interessengesteuerten Unternehmensberater, für die von der Verteidigungsministerin behauptete „erwiesene Täterschaft Assads bei den Giftgasanschlägen“ sowie die Kampfkeulen des  Mr. Kornblum.

Auch Ulrich Teusch hat sich auf seinem Blog u.a. mit der Sendung befasst: „Michael Lüders am Pranger“.

Michael Lüders, lieber Ulrich Teusch, stand bei Anne Will nicht am Pranger,  er lag auf der Schlachtbank. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass es das für ihn gewesen ist bei den Öffentlichen-Rechtlichen. Wenn man allerdings nicht unterstellen will, dass hier eine abgekartete Verschwörung des Panels stattgefunden hat oder die GEZ-Medien nun komplett auf DDR 2.0 umgeschaltet haben, könnte man vorsichtig fragen, ob Lüders die Einladungskarte zu diesem Schlachtfest nicht mitunterschrieben haben könnte.

Nein, hier soll nicht auf einen vom Mainstream Angezählten noch mal drauf geschlagen werden. Lüders ist eine der wenigen, ganz wichtigen Figuren, die das Regierungsnarrativ zum Nahen Osten in den ÖR-Medien noch in Frage stellen dürfen und das möge hoffentlich auch so bleiben. Aber einige kritische Punkte „von der anderen Seite“ seien erlaubt und gerne zur Diskussion gestellt.

Michael Lüders vertritt in seinen Büchern und öffentlichen Äußerungen eine differenzierte, vom apodiktischen Gut-Böse-Muster abweichende Haltung. Er weiß, dass er sich im Hinblick auf seine Partizipation im Mainstream auf dünnem Eis bewegt und den Rechtfertigungsdruck merkt man ihm an. Kaum ein Diskutant erwähnt so oft Assads Grausamkeit und nickt so eifrig, wenn jemand die „Gräueltaten der Russen“ in Aleppo erwähnt. Das ist psychologisch verständlich, könnte aber auf der Gegenseite als Zeichen von Schwäche empfunden werden und eine offene Flanke entblößen, die zum Zustechen einlädt.

Denn: Mit seiner bei Anne Will immer vorsichtig abwägenden, sachlichen Haltung, seiner gleichmäßigen Verteilung der Schuld auf alle Beteiligten im Konflikt fängt er sich glatt von der Verteidigungsministerin mehrfach den Vorwurf ein, „abenteuerliche“ Thesen zu verbreiten. Kornblum stempelt ihn als Antiamerikaner und Verschwörungstheoretiker ab, ihn, der voll und ohne den Hauch eines Zweifels hinter der offiziellen 9/11-Version steht; er, der nicht einmal darauf hinweist, dass für die USA – wie wir von General Wesley Clark wissen – seit spätestens 2001 Syrien als eines von sieben zu bekriegenden Ländern feststeht.

Bitter muss sich das für Michael Lüders anfühlen. In seinem neuesten Buch positioniert er sich eindeutiger als bei Anne Will; fehlt ihm der Mut, im Fernsehen gleichzuziehen? Wenn Kornblum routiniert seinen Standardsatz abspult, Irak sei ein Fehler gewesen: warum zeigt Lüders nicht den kausalen Zusammenhang dieses Fehlers mit der jetzigen Lage auf und weist nicht darauf hin, dass die gleichen Fehler wieder und wieder gemacht werden? Warum schlägt er nicht vor, dass man Assad vielleicht – statt ihn wegzubomben – bei seinem Versöhnungsprogramm unterstützen sollte, das von einem extra zu diesem Zweck geschaffenen Ministerium betrieben wird und bereits 82.000 Männer zur Abgabe ihrer Waffen und in ein Reintegrationsprogramm gebracht hat? Karin Leukefeld kann darüber berichten, ohne dass man auf die Idee käme, ihr eine Nähe zu Assad bescheinigen zu müssen. Aber Karin Leukefeld kann ohne Druck berichten, sie ist eine Ausgestoßene. Befürchtet Lüders, dass ihn das gleiche Schicksal ereilen könnte?

Eines steht ohne jeden Zweifel fest: Michael Lüders’ in Anne Wills Sendung vorgetragene sehr maßvolle, vorsichtige Beurteilung der Lage hat ihm nichts eingebracht als die Bombardierung mit den üblichen diskreditierenden Kampfbegriffen. Herr Lüders, geben Sie Ihre Zurückhaltung auf, gucken Sie noch mal über den 9/11 Commission Report und reden Sie einfach Tacheles. Möglich, dass man sie lässt, so wie man ihren verstorbenen Kollegen Scholl-Latour gelassen hat. Aber auch gut möglich, dass wir Sie dann nicht mehr im gelbstrahlenden Studio von Anne Will sehen werden, sondern in schummrigem Licht vor einer grauen Ziegelwand.

So what!

 

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