Nochmal: Pulse of Europe – versus DiEM25

Im Nachgang und anlässlich einer kleinen Diskussion auf Twitter zum vorigen Beitrag „Pulse of Europe: Good vibes für den Status Quo“ soll klargestellt werden, dass er nicht verfasst wurde, um Europabegeisterten ihr Anliegen und Engagement madig zu machen. Vielmehr ging und geht es um eine Kritik am unpolitischen und gefühligen Ansatz der Initiatoren, die aus ihrem Europabild über 20 Millionen Arbeitslose, zigtausende griechische Rentner und weitere Opfer der marktradikalen Austeritätspolitik kurzerhand wegretuschieren, um Fragen nach den Gründen der EU-Misere gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Ein vereintes Europa stellt – außer für Profiteure des Freihandels – für sich allein noch keinen Wert dar. Es ist wie eine große Kiste, die mit allen denkbaren menschlichen und unmenschlichen Systemen bestückt werden kann. Unter dem blauen Sternenbanner kann sich ein Friedensaktivist, aber auch eine kriegstreibende Waffenschmiede verbergen. Auch das Gefühl, dieses Gefühl des Vereintseins, ist ein für alle schönen und schaurigen Inhalte offener Behälter; die Totalitären und die viel gescholtenen Populisten wissen dies bekanntlich für ihre Zwecke zu nutzen.

Auf die politisch-gesellschaftliche Ausgestaltung der Gemeinschaft kommt es also ganz wesentlich an. Sie sollte weder vom Gefühl gesteuert sein noch von einem Vereintsein wollen um des Vereintseins willen. Und sie sollte auch nicht von den großen Globalisierungsakteuren und ihren Anwälten (!) dominiert werden, die ein Auseinanderfallen Europas vor allem deshalb fürchten, weil es sich negativ auf ihre Erträge auswirken würde.

Verstanden hat dies eine andere Bewegung: DiEM25, vor gut einem Jahr von Yanis Varoufakis gegründet. DiEM25 will „europäische Lösungen für europäische Probleme“ finden, ein politischer Ansatz also, der methodisch den einzig richtigen Weg beschreitet: Analyse des Status Quo, Kritik, Lösung. Womöglich zeigt das Manifest allzu deutlich genetische Merkmale des Gründervaters, der seine Negativerfahrungen während seiner kurzen Ministerkarriere hat einfließen lassen, aber immerhin: DiEM25 legt ein Konzept für eine durch und durch demokratische Union mit eigener Verfassung vor, das Hand und Fuß und das Wohl des europäischen Bürgers im Blick hat. Dass der Mainstream über diese Bewegung eher kritisch urteilt oder sie völlig ignoriert, #PulseofEurope hingegen mittlerweile flächendeckend euphorisch feiert, muss niemanden verwundern, der die Entwicklung der Medien in den letzten Jahren verfolgt hat.

Sollte es #PulseofEurope gelingen, als Schirm über zahlreichen unterschiedlichen Konzepten und Vorstellungen zu dienen, unter dem sich eine Ulrike Guérot, ein Yanis Varoufakis, aber auch die „Abgehängten“, die verlorene Generation Europas gleichermaßen zusammenfinden könnten, dann könnte man seinen freudigen Gefühlen ja freien Lauf lassen. Zweifel aber bleiben.

 

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