Pulse of Europe: Good vibes für den Status Quo

Der Bayerische Rundfunk hat sich einer neuen Bürgerbewegung verschrieben. In den letzten drei Wochen berichtete der Radiosender mehrmals ausgesprochen wohlwollend über #Pulseof Europe.

Die überparteiliche Bürgerbewegung entstand kurz vor der US-Wahl im Speckgürtel von Frankfurt, auf einem Sofa des Ehepaars Daniel und Sabine Röder, beide Mediatoren und Wirtschaftsanwälte. Erst mobilisierte man im Bekanntenkreis, dann „gab es kein Halten mehr“ (BR-Redakteurin Ortmann).

Angetrieben durch Brexit, Trump-Wahl und „die rasante Radikalisierung des politischen Lebens“ möchte das Ehepaar die Bewegung angesichts der anstehenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland proeuropäische Kräfte bündeln, allerdings ohne konkrete inhaltliche Reform-Vorstellungen, diese mögen bitte die Parteien anbieten, so Daniel Röder. Man stehe für ein „vereintes, demokratisches Europa […] – ein Europa, in dem die Achtung der Menschwürde, die Rechtsstaatlichkeit, freiheitliches Denken und Handeln, Toleranz und Respekt selbstverständliche Grundlage des Gemeinwesens sind!“ Und Eierkuchen, möchte man hinzufügen.

Röder konzediert im Interview eine Unzufriedenheit mit Europa: „Es ist uns aufgefallen, dass in den letzten 10, 15, 20 Jahren die Leidenschaft für Europa abhanden gekommen ist und gewichen einer rein wirtschaftlichen, rein krisenpolitischen Betrachtung. Und wir stoßen genau in dieses Vakuum und versuchen die Emotion für Europa wieder zu wecken.“

Was ist nur passiert in den letzten 10, 15, 20 Jahren? Der Neoliberalismus kommt mit Hilfe der Genossen Schröder/Blair zur vollen Entfaltung, Agenda-Deutschland allen voran mit einem Kniefall vor den Konzernen und der Zerstörung des Sozialstaats. Marktkonforme Demokratie nannte die nachfolgende Administratorin dieses System und ließ uns wissen: „Stirbt der Euro, stirbt Europa.“

Mit der „rein wirtschaftlichen, rein krisenpolitischen Betrachtung“ kritisiert Röder jedoch nicht die durch die Politik vorangetriebene Ökonomisierung der Gesellschaft, also das neoliberale System, sondern lediglich deren Perzeption. Wir reden einfach zuviel über Wirtschaft und Eurokrise. Lasst uns doch lieber leidenschaftlich im europäischen Gedanken schwelgen. Dieser ist laut Röder auch gefährdet durch die Angst vor Krieg (Ukraine) und die Trump-Wahl. „Wenn Stabilisatoren wie die USA ins Wanken geraten, dann steht hier viel in Frage.“ „Stabilisatoren wie die USA“ in einem Atemzug mit „Ukraine“.

#PulseofEurope betreibt weder Ursachenforschung noch Fehleranalyse und kann infolgedessen auch keine Lösungen denken. Stattdessen setzt man auf ein unmenschliches System auf, mit Emotion, europablauen Luftballons und diesem Aufruf:  „Wir alle müssen jetzt positive Energie aussenden, die den aktuellen Tendenzen entgegenwirkt“. Der Status Quo wird mit good vibrations aufgeladen, die Medien sind begeistert und alles wird gut.

Ja, der Himmel über der EU verdunkelt sich (noch mehr), wenn Wilders und Le Pen Wahlen gewinnen. Wer aber die Augen vor den gesellschaftsspaltenden Ursachen der Popularität dieser rechtsnationalen Herrschaften verschließt, wird nichts ausrichten.

#Pulseofeurope eine Bürgerbewegung oder eine „Bürgerbewegung“? Graswurzel oder Kunstrasen? Gar eine blaue Revolution? Hat George Soros schon angeklopft?

Die nahe Zukunft wird uns zeigen, ob die EU überhaupt noch eigenen Puls hat oder schon an der Herz-Lungen-Maschine hängt. Stellt den Menschen wieder in den Mittelpunkt Eurer Politik, versucht die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen, fördert Solidarität und Chancengleichheit, betreibt eine Politik der guten Nachbarschaft und jagt das Wort „Wettbewerb“ zum Teufel. Was glaubt Ihr wohl, wie es dann pulsiert auf diesem Kontinent!

 

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